„Es begeistert mich regelrecht zu sehen, wie das Thema [Craft Beer] in den Medien und bei den Konsumenten Fahrt aufnimmt.“ Ich freue mich wirklich, dass Georg Schneider VI. von Schneider Weisse sich die Zeit genommen hat und uns für ein Interview bereit stand. Thema ist allerdings nicht Schneider Weisse, sondern die Freien Brauer, ein Werteverbund und Zusammenschluss von 40 Gesellschaftern, den man unbedingt kennen sollte.
Bierologie: Stellen Sie sich doch bitte einmal kurz unseren Lesern vor: Wer sind Sie und was machen Sie?
Georg VI. Schneider: Als Präsident der Freien Brauer und vorher auch als Vizepräsident habe ich die Ehre, unsere Wertegemeinschaft nach außen zu repräsentieren und die inhaltliche Richtung des Verbundes aktiv mitzugestalten. Wichtig ist mir besonders, wie Bier als Getränk und die Bierkultur draußen wahrgenommen werden und was wir kommunikativ beisteuern können.
Ich engagiere mich außerdem noch in weiteren Ämtern in der Branche, beispielsweise im Brauerbund oder den Brewers of Europe, und kann so genau abstecken, bei welchen Themen nur Die Freien Brauer etwas bewegen können, weil sie unabhängig von verbandspolitischen Zwängen und Aufgaben sind. Und ganz nebenbei bin ich auch Brauer und Inhaber meiner eigenen Brauerei, die seit Generationen in der Hand meiner Familie ist: Schneider Weisse.
Bierologie: Was genau sind Die Freien Brauer? Was ist ihr Ziel?
Georg VI. Schneider: Das lässt sich kurz und klar darstellen: Wir sind allesamt freie Unternehmer und orientieren uns an den Sieben Werten, die weit über das Führen einer Brauerei hinausgehen. Uns liegt vor allem der Erhalt der Bierkultur und der Biervielfalt am Herzen, aber auch ein gewissenhaftes und nachhaltiges Unternehmertum.
Aktuell besteht der Werteverbund aus 40 Gesellschaftern, die nicht nur in Deutschland ansässig sind, sondern auch in Österreich, Luxemburg und den Niederlanden aktiv in der Braubranche mitwirken. Jede Brauerei ist in ihrer Region die führende Marke und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wenn wir von Brauereien sprechen, sprechen wir immer auch von Identifikation mit der Heimat. Alle Gesellschafter sind starke Charaktere und würdige Vertreter ihrer Region.
Bierologie: Können Sie etwas zu den Sieben Werten sagen?
Georg VI. Schneider: Unser oberster Wert, der auch in unserem Namen verankert ist, ist die Freiheit. Alle Gesellschafter sind unabhängig und können freie Entscheidungen treffen. Egal, welche Strategie internationale Konzerne gerade verfolgen, egal, welcher allgemeine Trend die Stimmung bei den Konsumenten beeinflusst. Und wir sind uns unserer gesellschaftlichen Position als Unternehmer bewusst. Wir übernehmen persönliche Verantwortung – für unsere Mitarbeiter, für den Nachwuchs, für Geschäftspartner. Viele von uns blicken auf eine lange Unternehmensgeschichte mit mehreren Generationen zurück, und diese Erfahrungen bringen wir in die Gegenwart mit ein: Wir setzen auf echte Tradition aus Leidenschaft für das Handwerk und leben die tief verwurzelte Heimatverbundenheit.
Natürlich erstrecken sich die Werte auch auf die Produkte. Bier ist ein Getränk höchster Güte und drückt ein ganz eigenes Lebensgefühl aus. So sollte es auch bleiben. Mit den über 300 Biersorten, die Die Freien Brauer zusammenbringen, bewahren sie die Vielfalt und die Qualität von Bier auf dem Markt. Über den gemeinsamen Einkauf beziehen wir nur die besten Rohstoffe, und jede Brauerei bemüht sich bei der Herstellung im Sinne einer sauberen Umwelt um einen respektvollen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen.
Unsere Sieben Werte sind das Fundament der Freien Brauer, und alle Aktivitäten werden daran gemessen. Es war uns damals ein Bedürfnis, in einer Zeit, in der fast alles nur auf die Wirtschaftlichkeit und den Preis reduziert wurde, ein Exempel von Werthaltigkeit zu statuieren. Freie Unternehmer mit freien Entscheidungen – das sind wir, und das braucht unsere Gesellschaft.
Bierologie: Welcher dieser Werte ist Ihnen persönlich am wichtigsten? Und welchen sehen Sie aktuell am meisten in Gefahr?
Georg VI. Schneider: Alle unsere Werte sind mir als Unternehmer und Präsident des Werteverbundes wichtig. Aber natürlich ist der Schlüssel zu allem unternehmerischen Handeln der Wert Freiheit, denn nur, weil wir alle frei in unseren Entscheidungen und keinen Aktionären verpflichtet sind, können wir so agieren, wie wir es für richtig erachten. Die Erfüllung und Umsetzung der restlichen Werte können wir nur leisten und in der Praxis verfolgen, weil wir frei in unseren Entscheidungen sind.
Ich sehe keinen dieser Werte bei uns in der Wertegemeinschaft in Gefahr. Aber natürlich wollen auch wir im Verbund uns weiterentwickeln und haben daher kürzlich ein Bewertungssystem eingeführt, bei dem wir in Eigen- und Fremdaudit feststellen, ob eine Brauerei zu unserer Wertegemeinschaft passt und natürlich auch ob ein vorhandenes Mitglied immer noch zu uns passt. Sollte sich hier in der Zukunft einmal eine Diskrepanz ergeben, kann dies letztendlich, bei wiederholten und nachhaltigen Verstößen gegen unsere Werte, zum Ausschluss führen.
Bierologie: Was würde passieren, wenn es keine kleinen Brauereien mehr gäbe? Was versuchen Sie zu verhindern?
Georg VI. Schneider: Die deutsche Bierkultur wird seit jeher getragen von einer sehr guten Mischung aus kleinen, mittelständischen und großen Brauereien – jede dieser Unternehmensformen bietet dem deutschen Markt unterschiedlichste Vorteile und prägt die deutsche Bierkultur. Es gilt in erster Linie, dieses Gleichgewicht zu erhalten, um alle Bedürfnisse des Marktes erfüllen zu können. Wenn hier eine Schieflage eintritt, dann hat dies für den Handel, die Gastronomie und letztlich den Konsumenten negative Folgen.
Wichtig ist es, dass keiner der Marktteilnehmer zu viel Macht gewinnt und damit die Bierkultur in eine Richtung prägen kann. Daher begrüße ich die derzeitige Entwicklung, dass sich viele kleine Brauereien gründen und damit die regionale Bierkultur gestärkt wird. Weltweite Trends haben uns gezeigt, dass ein Land zum Thema Bier in ein unschönes Ungleichgewicht gerät, wenn einer der Marktteilnehmer die Oberhand gewinnt und seine Monopolstellung ausnutzt – meist zu Ungunsten des vielfältigen Genusses und Angebotes. Daher unterstütze ich, wie auch meine Kollegen, junge Brauermeister dabei, ihre Ziele zu verfolgen, und sehe deren Engagement mit großer Begeisterung. Jeder, der das Thema Bier positiv besetzt und voranbringt, hilft uns allen.
Bierologie: Die Craft-Beer-Bewegung nimmt ja auch in Deutschland so richtig Fahrt auf. Was ist Ihre Meinung dazu?
Georg VI. Schneider: Aus der Weltmarktperspektive sind fast alle deutschen Brauereien Craft Breweries. Sie haben sich in der Vergangenheit aber leider nicht so verhalten und haben ihre Biere immer mehr aneinander angepasst. Dass nun wieder Individualität und eigenständiger Geschmack entdeckt werden, ist ein großer Gewinn für den Konsumenten und freut mich sehr. Es begeistert mich regelrecht zu sehen, wie das Thema in den Medien und bei den Konsumenten Fahrt aufnimmt. Ob wir uns als deutsche Brauer mit dem Begriff „Craft Beer“ einen Gefallen tun, wage ich zu bezweifeln. Wir Freien Brauer brauen authentische Bierspezialitäten mit handwerklicher Braukunst, und das schon seit vielen Jahrhunderten.
Bierologie: Vielleicht ist das für Craft-Brauer interessant: Was muss man tun, um bei den Freien Brauern aufgenommen zu werden?
Georg VI. Schneider: Einen Freien Brauer zeichnet aus, dass er ein freier Unternehmer ist und sich an den Sieben Werten orientiert, die weit über das Führen einer Brauerei hinausgehen. Uns liegt vor allem der Erhalt der Bierkultur und der Biervielfalt am Herzen, aber auch ein gewissenhaftes und nachhaltiges Unternehmertum. Wenn sich eine Brauerei für den Eintritt bei den Freien Brauern interessiert, dann müssen zunächst einmal die Grundvoraussetzungen erfüllt werden.
Das potenzielle, zukünftige Gesellschafterunternehmen muss ein Familienunternehmen sein. Dann schauen wir in Vorgesprächen natürlich darauf, ob die Inhaberfamilie die Sieben Werte lebt und welche Ziele durch den Beitritt zur Wertegemeinschaft verfolgt werden. Wenn alle offenen Punkte von beiden Seiten geklärt sind, gibt es eine sogenannte Probezeit. In dieser Zeit können beide Seiten testen, ob zum einen die Chemie stimmt und zum anderen die Wünsche und Zielsetzungen erfüllt werden können. In dieser Zeit kann der neue Gesellschafter an allen Terminen teilnehmen und erhält alle internen Informationen genauso wie die bestehenden Gesellschafter. Zur Halbzeit präsentiert er seine Brauerei auf der Gesellschafterversammlung und stellt sich den Fragen der Kollegen. Ist der Prozess nach einem Jahr positiv abgeschlossen, entscheidet die Gesellschafterversammlung per Beschluss über die Aufnahme des neuen Mitglieds in den Werteverbund.
Bierologie: In Ihren Aufnahmekriterien steht auch, dass man eine „Familienbrauerei“ sein muss, um aufgenommen zu werden. Wie würden die Chancen für eine recht junge Brauerei stehen, die nicht von einer Familie, sondern von mehreren Männern geleitet wird?
Georg VI. Schneider: Vielleicht müssen wir unsere Formulierungen den neuen Entwicklungen im Markt anpassen, das ist ein interessanter Hinweis von Ihrer Seite. Entscheidend für die Aufnahme in unseren Verbund ist die Tatsache, dass der Inhaber frei in seinen Entscheidungen ist, nicht einem Konzern verpflichtet ist und sich den Sieben Werten verpflichtet fühlt. Ob es dabei immer eine Inhaberfamilie sein muss, das müssen wir sicherlich im Kreis der Gesellschafter noch einmal überdenken.
Bierologie: Welches Bier wird nach den Gesellschafterversammlungen getrunken?
Georg VI. Schneider: Wir veranstalten unsere Gesellschafterversammlungen traditionell einmal im Frühjahr und einmal im Herbst auf Einladung eines Gesellschafters in dessen Brauerei. Jeder Kollege bietet den Mitgesellschaftern dabei ein tolles Rahmenprogramm, das ist Ehrensache, und stellt auf diese Weise seine Brauerei vor. Je nachdem, welchen Schwerpunkt er mit der Brauerei und seinem Sortiment verfolgt, ist natürlich auch das Rahmenprogramm thematisch geprägt. Daher genießen wir bei unseren Gesellschafterversammlungen immer die Bierspezialitäten der gastgebenden Brauerei. Durch die turnusmäßigen Besuche im Rahmen der Gesellschafterversammlungen lernen wir reihum immer die neuesten Entwicklungen bei den Kollegen kennen.
Lieber Herr Schneider, vielen herzlichen Dank für das Interview!